Niemand hätte in der Mitte des letzten Jahrhunderts einen Film als charmanter und angenehmer empfunden, wenn die Bilder verblasst gewesen wären, oder ein starker, dunkler Rand das Bild begrenzt hätten. Heute jedoch sind dieses genau die Effekte der beliebtesten Filter in den Bildbearbeitungsprogrammen.
Das Comeback der alten Fotografie
Begonnen hat es mit den Toycameras (alten, billigen Kameras, die oft als Beigabe bei Zeitschriften, Spielzeug oder in Touristenshops verkauft wurden) und dem Festhalten an den alten Rollfilmen. Während die letzten, großen Spiegelreflexkameras der Kleinbild-Ära keine sonderlichen Unterschiede zu ähnlichen digitalen Modellen bieten konnten, zeigte sich bei den billigsten und ältesten Kameras durchaus, wo der Unterschied liegt. Die Fehler, die durch Lichteinfall, schwachen Objektiven, Verzerrungen und ähnlichen ungenauen Teilen an den Kameras zustande kamen, dienten nun zu einem sehr persönlichen Foto von der Wirklichkeit. Es gab zu Beginn des 21sten Jahrhunderts nicht wenige Fotografen, die plötzlich wieder zurückgriffen auf die Apparate, die schon ihre Großeltern schätzten. Der Mittelformat-Rollfilm, ein Unikat, das aus dem Gedächtnis der Fotoamateure schon fast verdrängt war, eroberte sich ein Terrain zurück, dass plötzlich als hip und modern galt.
Das Analoge trifft auf das Digitale
Zu genau jenem Zeitpunkt verbesserten jedoch auch die Smartphones sukzessiv ihre Bildqualität. Und zwei Strömungen – die Liebe zum analogen Bild und die überzeugende Qualität der Smartphone-Fotos – eroberten parallel das Internet. Dabei nutzten sie eine ähnliche Bildsprache und eine gegenseitige Achtung. Instagram war jener Dienst, der die analoge Fotografie versuchte mit seinen Filtern für das digitale Feld zu erobern. Plötzlich wurden die Mängel der alten Fotografie von der neuen Betrachtungsweise eingeholt und vereinnahmt. Scheinbare Fehler erweckten eine Vertrautheit, die zum stilbildenden Mittel wurde. Instagram zeigt nun, dass es nicht die perfekte Aufnahme ist, die lockt. Stattdessen ist es das Bild, dass so wirkt wie unsere Kinderbilder von unseren Sommerurlauben mit Papa und Mama. Das, was wir einst als beklemmend in seiner Unveränderlichkeit empfanden (was konnte man früher schon gegen ein vermeintlich schlechtes Bild machen) war nun das verbindende Element. Denn der künstliche Lichteinfall, die schwarzen Ränder und die Unschärfen, sowie die verblassenden Farben hatten soviel vertrautes, dass wir merkten: Fehler bringen uns das Bild näher. Fehler sind der Charme.
Die Zukunft des alten Filmlooks hat gerade erst begonnen
90% der meistgenutzten Filter in Instagram und ähnlichen Programmen entstammen, so bildverbessernd sie heute wirken, dem Wunsch die vertrauten Fehler analoger Apparate wieder aufleben zu lassen. Je perfekter diese Filter werden, um so mehr verwaschen sie die Unterschiede und retten das, was einst als Problem galt, zu den Freuden der nachfolgenden Generationen in das nächste Jahrtausend.